Antiarrhythmika

Ich kann mich noch an den Moment in meiner Studienzeit erinnern, in dem ich das erste Mal in Kontakt mit Antiarrhythmika gekommen bin. Mich überforderten sowohl die Klassen wie auch die teilweise unaussprechlichen Wirkstoffnamen – ich fühlte mich komplett verloren. Ich denke, dass es einigen von euch sicher auch so ging / geht. Aus diesem Grunde habe ich mich entschieden, heute einen kurzen und übersichtlichen Beitrag über Antiarrhythmika zu verfassen, welcher klinisch gängige Substanzen samt Indikationen und relevante Akutnebenwirkungen umfasst.

Grundlagen

Antiarrhythmika sind Substanzen, welche Arrhythmien durchbrechen oder verhindern sollen. Dabei gibt es Brady- und Tachyarrhythmien – unser Fokus liegt diesmal auf den Tachyarrhythmien. Grundlage von Medikamenten ist stets die Physiologie. So müssen wir uns die Aktionspotentiale der Herzmuskelzellen zu Gemüte führen, um das Wirkmuster zu verstehen. Anhand der beiden Abbildungen seht ihr, dass es ein Aktionspotential der Herzschrittmacherzelle und ein Aktionspotential der Arbeitsherzmuskelzelle gibt, die sich v.a. durch eine Plateauphase (hier findet die Kontraktion durch Calcium-Einstrom statt) unterscheiden. An den verschiedenen beteiligten Kanälen greifen die Antiarrhythmika ein und das erklärt auch ihre Einteilung in 4 Klassen nach dem britischen Pharmakologen Miles Vaughan Williams (Link). Diese Einteilung wurde 2018 durch Lei et al (Link) revidiert und modifiziert. Die Arbeit von Lei ist verlinkt – klickt darauf, wenn ihr besonderes Interesse am Thema habt. Wir beschränken uns heute der Einfachheit halber auf die ursprüngliche Einteilung.

Aktionspotential einer Herzschrittmacherzelle (Quelle)
Aktionspotential einer Arbeitsherzmuskelzelle (Quelle)

Einteilung der Antiarrhythmika

Klasse I

Antiarrhythmika der Klasse I blockieren Natrium-Kanäle. Eingeteilt werden sie in Ia, Ib oder Ic, je nachdem wie sich ihre Blockade auf das Aktionspotential (AP) auswirkt (Ia – AP verlängert, Ib – AP verkürzt, Ic – AP unverändert). Durch den Eingriff in die Herzerregung ergibt sich das Paradoxon, dass jegliche Antiarrhythmika selbst proarrhythmogen wirken. Ein unsachgemäßer Einsatz kann Patienten erheblich gefährden, weshalb die Anwendung besonders potenter Antiarrhythmika ausschließlich EKG-Experten zu überlassen ist.

In der Klasse Ia liegt unser Fokus auf Procainamid, da diese Substanz v.a. in den USA eine beliebte Wahl zur Behandlung einer hämodynamisch stabilen ventrikulären Tachycardie ist (Link). Procainamid findet seinen Einsatz auch bei der FBI-Tachycardie (Link). Es kann zu Blutdruckabfall führen, weshalb Reanimationsbereitschaft hergestellt werden muss. Ebenfalls wurde eine QTc-Verlängerung beschrieben (Link).

Klasse Ib umfasst Lidocain, welches wir aus den ERC-Guidelines (Link) als Alternative zu Amiodaron bei der Behandlung der HD stabilen VT bzw. bei therapierefraktärem KaFli / pVT kennen.

Klasse Ic wird von Flecainid und Propafenon gebildet, welche als „Pill in the pocket“ Medikamente bei paroxysmalem Vorhofflimmern verschrieben werden. Das bedeutet, dass ein Patient mit durchgemachtem Vorhofflimmern und nach entsprechenden Untersuchungen zur Überprüfung auf Eignung mit Flecainid oder Propafenon p.o. entlassen wird und diese Substanzen bei Wiederauftreten von VHFli einnimmt, um die Arrhythmie im Alltag selbst zu durchbrechen (Link).

Klasse II

Jetzt wird es bedeutend einfacher. Zur Klasse II zählen β-Blocker wie z.B. Esmolol, Landiolol, Labetalol oder Metoprolol. Durch Blockade von β-Rezeptoren kommt es zu einer Bremsung des Sinus- und AV-Knotens. Ihr Einsatzgebiet findet sich daher primär bei supraventrikulären Tachycardien wie Vorhofflimmern, Vorhofflattern oder AVNRT (Link), aber auch bei der catecholaminergen polymorphen VT (Link). Akute Nebenwirkungen sind Bronchospasmus, Blutdruckabfall und zu starker Abfall der Herzfrequenz. Die β-Blockerintox ist hier behandelt.

Klasse III

Der typische Vertreter hier ist Amiodaron, welches neben Kalium-Kanälen (Klasse III) auch α, β und Calcium-Kanäle blockt (Link). Es ist somit ein potentes Allrounderantiarrhythmikum, welches fast jede supra- und intraventrikuläre Arrhythmie durchbrechen kann, also z.B. VHFli, VHFla, VT und auch pVT / KaFli. Die Anwendung sei jedoch mit Bedacht gewählt, da Amiodaron durch das ausgeprägte Wirkmuster zu erheblichem Blutdruckabfall führen kann. Die undifferenzierte Anwendung bei VHFli bzw. VHFla mit unbekannter Dauer kann zu einer Konversion in den Sinusrhythmus mit Loslösung von angesammelten atrialen Thromben und somit ischämischem Schlaganfall führen. Amiodaron ist bei FBI-Tachycardie und AIVR absolut kontraindiziert.

Klasse IV

In die Klasse IV fallen Calcium-Kanalblocker, namentlich Verapamil und Diltiazem. Sie verlangsamen Sinus- und AV-Knoten und verursachen eine potente periphere Vasodilatation (Blutdruckabfall!). Das Einsatzgebiet ist ähnlich den β-Blockern, vorteilhaft ist das fehlende Bronchospasmusrisiko. Besonderes Einsatzgebiet ist die Verapamil-sensitive VT, die aus dem posterioren li. Faszikel ausgeht (Link).

Der Rest

Zum Rest (beachte aber die neue Einteilung nach Lei!) zählen u.a. Magnesium (Calcium-Antagonist, stabilisiert das Membranpotential und ist 1. Wahl bei Torsaden) sowie Adenosin (öffnet Kalium-Kanäle am Sinus- bzw. AV-Knoten, ist 1. Wahl bei AVNRT und kann auch spezielle VTs durchbrechen – mehr zu Adenosin hier).

Ich hoffe ich konnte euch einen groben und vereinfachten Überblick über Antiarrhythmika geben. Falls Fragen bestehen könnt ihr gerne kommentieren oder auf Insta schreiben. Cheers 🙂


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