Im heutigen Beitrag schneiden wir kurz und knackig die prähospitale Phase des Schädel-Hirn-Traumas (SHT), welches durch einen Glasgow Coma Score (GCS) von 3-8 charakterisiert ist. Die Hauptquellen sind u.a. die Brain Trauma Foundation (Link) und die S3-Polytrauma Leitlinie (Link). Das typische Klientel ist jung, männlich und in einen Verkehrsunfall involviert, wiewohl auch Stürze eine bedeutende Entität sind (Link). Die Mortalität des schweren SHTs ist hoch (Link), die meisten Patienten sind nach ihrem Intensivaufenthalt im Leben erheblich beeinträchtigt. Korrelate im CT bzw. MRT sind u.a. Epiduralhämatom, Subduralhämatom, Subarachnoidalblutung, Parenchymblutung oder diffuse axonale Schädigung.
Ein schweres SHT geht mit einer bedeutenden Schädigung des Gehirnes einher, die u.a. zu Vigilanzstörungen (bis hin zum Koma), pathologischen Atemmustern (u.a. Cheyne-Stokes, Impact Brain Apnoea) sowie aufgehobenen Schutzreflexen führt. Somit gilt allgemein, dass ein SHT mit einem GCS von 3-8 von einer prähospitalen Narkoseeinleitung und Intubation profitiert, sofern der Intubateur das Atemwegsmanagement einwandfrei beherrscht (siehe diesen Beitrag oder Link), da Hypoxämie bzw. Hyperkapnie zu einer substantiellen Mortalitätserhöhung führen. Weiters bedingt eine zu flache Narkose ein Würgen bzw. Husten des Patienten mit Hirndruckanstieg sowie auch möglichem Erbrechen und nachfolgender Aspiration. Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein schweres SHT häufig mit einer HWS-Verletzung einhergeht (Link), weshalb auf ein HWS-schonendes Vorgehen bei der Bergung (MILS), Behandlung (z.B. Videolaryngoskop im Rahmen der Intubation) und Transportierung des Patienten (z.B. Vakuummatratze) zu achten ist.
MARCH
Bei Antreffen eines Patienten mit schwerem SHT muss ein strukturiertes Vorgehen erfolgen, welches zunächst mit dem Eigenschutz und Ersteindruck der Szenerie beginnt. Das weitere Vorgehen kann u.a. anhand des MARCH-Algorithmus (in Klammer exemplarische Maßnahmen) erfolgen, welcher den Fokus auf akut lebensbedrohliche Probleme legt:
MARCH-Algorithmus:
- (M)assive haemorrhage (treat first what kills first)
- (A)irway (z.B. Absaugen, Esmarch-Handgriff, Guedel, im Verlauf Tubus)
- (R)espiration (z.B. O2-Gabe, assistierte Beutel-Masken-Beatmung)
- (C)irculation (z.B. Stillung nicht-lebensbedrohlicher Blutungen, Kristalloide, Vasopressoren)
- (H)ead Trauma / (H)ypothermie
Keinesfalls dürfen wir uns von einem SHT blenden lassen, denn unser Patient könnte beispielsweise auch eine schweres Beckentrauma haben, welches mittels Beckengurt zu versorgen wäre. Somit ist das strukturierte Vorgehen von ganz zentraler Bedeutung.
Fokus Sekundärschaden
Während der Primärschaden nur durch eine Prophylaxe verhinderbar oder reduzierbar ist (z.B. Tragen eines Schutzhelmes), fokussiert sich unsere präklinische Therapie auf die Verhinderung des Eintretens bzw. der Verschlechterung von Sekundärschäden. Es ist bekannt, dass die Morbidität und Mortalität eines schweren SHTs insbesondere durch folgende Faktoren erheblich erhöht wird:
- Hirndruckkrise (ICP > 22 mmHg)
- Hypotonie (RRsys < 90 mmHg, MAD < 80 mmHg)
- Hypoxämie (Norm: 94-98%)
- Hypo- oder Hyperkapnie (Norm: 35-45 mmHg)
- Hypo- oder Hyperglycämie (> 180 mg/dl)
- Hypo- oder Hyperthermie
Im Rahmen unserer Versorgung müssen wir jedenfalls die mortalitätserhöhenden Ursachen adressieren, das bedeutet im Kern (Link):
- Behandlung lebensbedrohlicher Blutungen (Kompression, Druckverband, Tourniquet, Beckenschlinge, Schienung, Tranexamsäure, Kristalloide [vorsichtigst], Blutprodukte)
- Sicherung des Atemweges mittels Tubus (die Narkoseeinleitung kann beispielsweise mittels Esketamin, Midazolam und Rocuronium erfolgen)
- Normoxämie (SpO2 94-98%) und Normokapnie (Kapnometrie, Zielwert des etCO2 ~ 35 mmHg)
- Behandlung einer Hypotonie mittels Kristalloid und Vasopressoren (z.B. Akrinor, Noradrenalin), Zielwerte sind RRsys > 90 mmHg bzw. MAP > 80 mmHg
- Sicherstellung eines adäquaten cerebralen Perfusionsdrucks (CPP ~ 60-70 mmHg; CPP = MAP-ICP)
- Behandlung eines erhöhten Hirndrucks, welchen wir präklinisch anhand der Klinik (z.B. Decerebrationsstarre, pathologisches Atemmuster, Pupillendifferenz) oder via Ultraschall (siehe diesen Beitrag) feststellen können (Therapieoptionen beinhalten: Oberkörperhochlage auf 30°, Narkosevertiefung, Mannitol oder hypertones NaCl, Hyperventilation auf etCO2 25 mmHg)
- Behandlung einer Hypoglycämie
- Behandlung oder Verhinderung einer Hypothermie
- kein Mortalitätsbenefit durch Tranexamsäure (CRASH-3), eventuell gar Mortalitätserhöhung (Link)
Die Quintessenz ist Kompetenz!
Zusammenfassend ist das schwere SHT ein komplexes medizinisches Krankheitsbild mit einer hohen Mortalität und Morbidität. Das Outcome des Patienten wird bereits durch unsere prähospitale Therapie gravierend beeinflusst. Entsprechend ist die Versorgung kompetent, zügig, evidenzbasiert und durch trainiertes Personal durchzuführen. Der Patient mit einem schweren SHT gehört zu jener Patientengruppe, deren Behandlung und Outcome von der Versorgung durch einen kompetenten, anästhesiologisch trainierten Notarzt profitieren (Link, Link, Link, Link, Link).
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