Furosemid-Stresstest

Diuretika und der akute Nierenschaden (AKI – acute kidney injury) – ein wirklich hochkomplexes Thema, das ganze Bücher füllen könnte. Um eine komplette Überforderung von euch (und uns!) zu vermeiden, halte ich mich hier wirklich kurz, bündig und oberflächlich. Ihr sollt einen groben Überblick über das Thema erhalten, aber keinesfalls können wir es so fundiert wie Leitlinien, Experten oder Fachbücher behandeln. Insofern bitten wir euch um Rücksicht.

Einschränkungen der Nierenfunktion sind eine häufige Komplikation auf der Intensivstation (Link). Ein typisches Frühsymptom ist meist die Oligurie (stündliche Urinproduktion 0,2-0,5 ml/kg/h), wiewohl auch eine Anurie (< 0,2 ml/kg/h) oder Polyurie (> 3l/d, Link) hinweisend auf eine renale Dysfunktion sein können. Die Entität eines akuten Nierenschadens lässt sich in drei Bereiche eingliedern: prärenal (z.B. Hypovolämie), intrarenal (z.B. nephrotoxisches Medikament) oder postrenal (z.B. verstopfter Harnkatheter führt zu Rückstau in die Niere), wiewohl Kombinationen möglich sind und die Entität häufig nicht eindeutig zuordenbar ist. Als Intensivmediziner muss man sich daher zunächst auf Ursachenfindung begeben und im klinischen Gesamtbild entscheiden, von welcher Maßnahme der Patient nun am besten profitiert.

Ein häufig zu beobachtendes Muster in der Praxis ist die fast schon reflexartige, undifferenzierte Gabe von 500-1000 ml Flüssigkeit mit 10-20 mg Furosemid (Link). Hierbei handelt es sich um ein Schleifendiuretikum, welches den Natrium-Kalium-Chlorid-Chlorid-Cotransporter blockiert und dadurch zu einer erhöhten Diurese führt. Aber ist dieser Zugang überhaupt gerechtfertigt?

Grundsätzlich weiß man schon lange, dass Schleifendiuretika weder die Inzidenz einer Dialyse noch die Schwere oder die Dauer einer AKI bzw. eines Nierenversagens positiv beeinflussen, weshalb laut derzeitiger Evidenz Schleifendiuretika lediglich bei AKI durch Hypervolämie indiziert sind, um der Nierenstauung entgegen zu wirken (Link, Link, Link, Link, Link). Die KDIGO spricht sich gegen die prophylaktische bzw. routinemäßige Gabe von Furosemid zur Verhinderung eines akuten Nierenschadens aus und empfiehlt es lediglich bei Hypervolämie (Link).

Von besonderem Interesse ist für uns Intensivmediziner natürlich, ob die derzeit bestehende Nierenfunktionsstörung reversibel ist oder mit einem Fortschreiten zu rechnen ist. Leider gibt es bis dato keine verlässlichen preiswerten und stetig verfügbaren Marker, die uns eine Prognose ermöglichen, auch wenn derzeit einige neue Parameter bekannt sind (Link, Link, Link). Creatinin als klassischer Nierenfunktionsparameter hat den großen Nachteil des verzögerten Anstiegs im Blut, weshalb es alleinig nicht geeignet ist, um ein AKI festzustellen. Hinzu kommen die Klinik (z.B. Harnausscheidung) sowie auch Untersuchungen des Urins (z.B. Harnsediment, FENa bzw. FEUrea, siehe hier).

2013 wurde der sog. Furosemid-Stresstest (FST) vorgestellt. Im Frühstadium einer vermuteten AKIwird bei Diuretika-naiven Patienten Furosemid 1 mg/kg i.v. bzw. bei Patienten mit vorbekannter Furosemid-Einnahme Furosemid 1,5 mg/kg i.v. verabreicht und die Harnausscheidung über die nächsten 2h monitiert. Beträgt diese < 200 ml, so ist der FST positiv und korreliert mit Übergang in Stadium 3 des ANS und Dialyse (Link, Link, Link). Der FST outperformte in einer Arbeit sogar Biomarker in der Vorhersage eines Voranschreitens der AKI (Link). Bei auffälligem FST ist daher von einer anbahnenden Progredienz der AKI sowie Notwendigkeit einer transienten Nierenersatztherapie auszugehen, eine weitere Gabe von Furosemid ist somit auch nicht indiziert.

Zusammenfassend gibt es derzeit vielversprechende Hinweise, dass der FST einen Fortschritt einer AKI im Frühstadium voraussagen kann, wenn die Urinausscheidung 2h nach Gabe < 200 ml beträgt. Die routinemäßige Gabe von hochdosiertem Furosemid zur Verhinderung oder Therapie einer vermuteten AKI ist evidenzbefreit und deshalb zu unterlassen. Lediglich bei Hypervolämie (mit AKI) ist eine aggressive Furosemidtherapie indiziert, bei refraktärer Hypervolämie ist zügig eine Dialyse zu etablieren, um den Körper von überschüssiger Flüssigkeit zu befreien (Link).


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