IO Zugang

Der i.o. Zugang ist mittlerweile ein etabliertes Alternativ- bzw. in ausgewählten Fällen sogar Primärverfahren (z.B. polytraumatisierter Säugling) zum i.v. Zugang. So wird vom ERC (Link) gefordert, dass der i.o. Zugang spätestens dann angelegt wird, wenn zwei Fehlversuche i.v. vorliegen (in der Praxis haben sich 2 Minuten als Cut Off etabliert). Jegliche Medikamente oder Infusionen können i.o. verabreicht werden. Die Medikamente werden in die Knochenmarkhöhle appliziert und dann durch das venöse System resorbiert und zum Herzen transportiert.

Klinisch sind primär zwei Punktionsorte beliebt: die prox. Tibia und der prox. Humerus. Wiewohl die Flussraten in der Tibia höher (Link, Link) sind als im Humerus (CAVE Druckbeutel 300 mmHg erforderlich!), ist dieser Unterschied klinisch nicht signifikant (~ 150-200 ml/min). Relevante Vorteile der Tibia sind aber eine leichtere Punktion bei Adipositas und eine geringere Dislozierungsgefahr (Link). Laut dem Hersteller des EZ-IO besteht am Humerus eine dtl. höhere Flussrate (6l/h) als an der Tibia (1l/h), die Studie ist jedoch vom Hersteller finanziert (Link).

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Die Wahl des Punktionsortes scheint primär grundsätzlich egal, wobei in speziellen Fällen (z.B. komplexe Beckenfraktur) beispielsweise dem Humerus Vorzug zu geben ist, da tibial verabreichte Medikamente durch verletzte Venen im Becken verschwinden können.

Bei der Punktion sind folgende Dinge zu beachten:

  • 5 mm Markierung der Nadel muss sich vor Punktion oberhalb Hautniveau befinden
  • Erreichen der Knochenmarkhöhle zeigt sich durch Widerstandsverlust
  • Aspiration von Knochenmark sollte problemlos erfolgen
  • Injektion ist leicht und schmerzhaft
  • nicht in frakturierte Extremitäten oder Prothesen bohren

Eine häufige Empfehlung die man liest ist die i.o. Gabe von Lidocain (Kind: 0,5 mg/kg, Erwachsener 40 mg) beim Spülvorgang, um die Schmerzen zu lindern. Dies wird z.B. in dieser Arbeit in Frage gestellt, wo 8 von 18 Patienten trotz Lidocain i.o. signifikante Schmerzen aufwiesen. Dies ist irgendwie logisch, da der Onset von Lidocain nicht 1 Sekunde beträgt. Außerdem soll die Injektion laut den gängigen Empfehlungen über 2 Minuten erfolgen und dann noch 1 weitere Minute für den Onset gewartet werden. Ein Patient, der einen i.o. Zugang braucht, ist jedoch ein zeitkritischer Patient der jetzt eine medikamentöse Intervention benötigt.

Klar, bei der CPR oder beim präletalen Patienten machen wir uns um Schmerzen nicht wirklich Sorgen. Aber wie sieht das z.B. bei einem Kind aus welches mit Polytrauma im Winter angekündigt wird und wo man schon von vornherein davon ausgehen kann, dass die Venenpunktion schwierig sein wird? In diesem Fall empfiehlt es sich frühzeitig Fentanyl oder Esketamin i.n. zu verabreichen (Link), um dann bei der Anlage des i.o. Zugangs eine gewisse analgetische Wirkung zu haben. Rezent gibt es eine interdisziplinäre Stellungnahme (Link) verschiedener Fachgesellschaften, die aufgrund von pädatrischen Todesfällen (Überdosierung) eine i.o. Gabe von Lidocain untersagen und eine frühzeitige i.n. Analgesie postulieren. Dies stellt auch bei Erwachsenen ein korrektes und verantwortungsvolles medizinethisches Verhalten dar.

Zusammenfassend ist der i.o. Zugang ein zuverlässiges und rasch einsetzbares Tool, um bei zeitkritischen Patienten Medikamente verabeichen zu können. Jeder Notarzt und Notfallsanitäter muss sich damit vertraut machen und es anwenden können. Dankbar bin ich für den Ultraschall auf unserem NEF, da ich dadurch nicht nur Arterien zügig und erfolgreich punktieren kann, sondern auch Venen bei Patienten mit desaströsem Venenstatus, die jetzt eine i.v. Therapie brauchen, für einen i.o. Zugang aber „zu gut“ sind.


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