Lokalanästhetika

Kaum etwas ist am Anfang der Anästhesiekarriere so verwirrend wie Lokalanästhetika (LA), ihre Konzentrationen und Dosierungen. Heute möchte ich einen sehr vereinfachten Überblick liefern, damit ich euch die Medikamente etwas näher bringen kann. Für Details und in die Tiefe gehende Infos sei auf gängige Anästhesiebücher verwiesen.

Wirkung

Lokalanästhetika können in einer lipophilen und hydrophilen Form vorliegen. Im lipophilen Zustand penetrieren sie in Nervenzellen (Neuronen) hinein und werden dort aufgrund des sauren intrazellulären pH-Wertes protoniert, d.h. nehmen ein Proton auf. Dadurch werden LA in ihre hydrophile Form verbracht und blocken nun von intrazellulär Natriumkanäle. Eine Reizweiterleitung entlang des Axons der Nervenzelle ist nicht möglich – es kommt z.B. zur Ausschaltung von Schmerzen oder Berührungsempfindungen. Im Extremum ist z.B. bei einer Blockade der oberen Extremität (z.B. AxPlex oder supraclaviculär) diese komplett gelähmt und wird vom Patienten auch nicht mehr zugeordnet (aufgehobene Propriozeption).

Konzentrationen, Dosierungen

LA-Konzentrationen werden in % angegeben. 1% bedeutet 10 mg/ml. Ropivacain 0,5% enthält somit 5 mg/ml, Lidocain 2% 20 mg/ml. Denke hier auch an Propofol. Je höher die Konzentration, desto weniger LA brauche ich um eine effektive Dosis zu erreichen, desto höher aber auch die Gefahr für toxische Mengen. Maximale Dosisempfehlungen findet ihr hier.

Die Dosierungen (oft in ml!) für periphere Nervenblöcke bzw. Faszienblöcke (siehe FIB oder ESPB) sind in der Literatur bzw. Leitlinien vorgegeben. So werden z.B. für den N. femoralis ultraschallgestützt meist 10 ml empfohlen, während es beim Fascia Iliaca Block (FIB) 30-40 ml sind. Es erscheint logisch, beim N. femoralis ein höher konzentriertes LA zu verwenden (z.B. Ropivacain 0,5% ~ 5 mg/ml -> 10 ml = 50 mg), um mit 10 ml eine adäquate Blockade zu erzielen. Beim FIB würden 40 ml Ropivacain 0,5% (= 200 mg Ropivacain) nahe an die toxische Dosis von 3 mg/kg bei einem 70 kg Menschen reichen. Aus diesem Grunde empfiehlt sich bei hochvoluminösen Blöcken eine niedrigere Konzentration, z.B. Ropivacain 0,2% (2 mg/ml -> 40 ml = 80 mg). Man hat so einfach mehr Spielraum und Sicherheit für den Patienten und kann dann auch mehrere Nerven auf einmal blocken. Je höher die angewandte LA-Konzentration, desto mehr werden Nerven verschiedener Qualitäten geblockt (z.B. letztlich auch Motoneuronen -> Lähmung).

Substanzen

Widmen wir uns nun den gängigen LA in unserer Praxis. Dabei soll der Überblick wirklich kurz und knackig sein, abteilungsinterne Empfehlungen sind zu beachten. Ich werde daher nun das übliche Vorgehen an meiner Klinik darstellen und die Kernpunkte zu den Substanzen aufzählen.

Mepivacain wird in Konzentrationen von 1%, 1,5% und 2% angewendet. Der Onset ist < 15 Minuten, die Wirkdauer beträgt bis 5h. Angewendet wird es bei uns, wenn eine zügig notwendige Extremitätenblockade für eine OP in reiner Nervenblockade gewünscht ist. Mepivacain 2% wird bei uns weiters zur Spinalanästhesie für OPs mit Dauer 60-120 Minuten genutzt. Beispiel: ultraschallgestützter axillärer Plexusblock erfordert laut Literatur 20 ml LA. In unserem Fall also 20 ml Mepivacain 1,5%.

Ropivacain ist unser LA der Wahl (i.d.R. Ropi 0,5%) für die Supplementierung der intra-OP Anästhesie bei Vollnarkose sowie post-OP langanhaltende Analgesie. Der Onset ist nach 15-30 Minuten, die Wirkdauer beträgt bis 18h. Beispiele sind Tibiavernagelungen, Hüft-OPs oder Schultereingriffe. Beim Fascia Iliaca oder Erector Spinae Plane Block nutzen wir es ebenfalls (hochvoluminöser Block, daher Ropivacain 0,2% bzw. 0,33%). Ropivacain ist eine Fortentwicklung von Bupivacain mit weniger motorischer Blockade und geringerer Cardiotoxizität.

Bupivacain (0,5%) ist der OG on the block. Pharmakologisch verhält es sich ähnlich zu Ropivacain. Es ist unsere erste Wahl bei OPs in Spinalanästhesie mit Dauer > 2h. Auch bei der Sectio ist es 1. Wahl (Link), hier mit Fentanyl oder Sufentanil.

Ausreißer der Spinalanästhesie sind Prilocain (OP mit Dauer 60-90 Minuten) und Chloroprocain (OP mit Dauer max 30 Minuten, z.B. kleine Uroeingriffe -> da will ich aber den Urologen steril am Tisch haben bevor ich Chloroprocain spritze -> dann funktioniert das wirklich super). Lidocain wird bei uns zur Atemwegsbetäubung für fiberoptische Intubationen oder örtliche Anästhesierungen bei Arterien- oder ZVK-Anlagen genutzt.

Fazit

Als Anästhesist hat man eine ordentliche Auswahl an LA und man kann durchaus auch Prilocain statt Mepivacain für Nervenblockaden verwenden (Prilocain ist weniger toxisch als Mepivacain). Letztlich richtet man sich nach den abteilungsinternen Standards und sollte mit wenigen Substanzen viel arbeiten, um die Expertise zu entwickeln. Denn wenn mal der Hut brennt und bei einem Risikopatienten eine Regionalanästhesie wirklich sitzen muss, dann greift man lieber auf Medikamente zurück die man wie die eigene Westentasche kennt.

Ich erinnere mich an einen jungen, kräftigen Patienten, der sich beim Ski Fahren den Oberschenkel gebrochen hat. Er war durch i.v. Analgetika kaum ruhig zu halten und für eine Akut-OP in Spinalanästhesie und Nervenblockade geplant (nicht nüchtern! -> es gilt jede Notfallnarkose zu vermeiden wenn es eine besserere und sicherere Alternative gibt). Nach Betäubung des N. cutaneus femoris lateralis und N. femoralis mittels Mepivacain 1,5% (+ NaBic um die Wirkung zu verschnellern – dazu ein ander Mal) war der Patient nach 10 Minuten de facto schmerzfrei, sodass ich ihn problemlos für die Spinalanästhesie aufsetzen konnte. Das ist unvorstellbar wenn man das mal sieht. Sitzt der Patient nach dem Block einfach seelenruhig am OP-Tisch und ist bereit für den Kreuzstich. Nach Beendigung der einstündigen OP platzierte ich steril noch einen Nervenkatheter direkt zum N. femoralis, um für die Folgetage mittels Ropivacain-Schmerzpumpe eine effektive Analgesie zu garantieren.

Regionalanästhesie ist toll – ich würde sie jeder Vollnarkose vorziehen wenn ich wählen könnte.


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