MPP

Im klinischen Alltag wird häufig der mittlere arterielle Druck (MAP) als Surrogat für eine ausreichende Organperfusion angesehen. Dies spiegelt sich z.B. auch in den Sepsisleitlinien (hier) wieder. Das Ganze hat jedoch eine gewaltigen Haken, der sich mit physiologischem Hausverstand simpel erklären lässt. Das Konzept des MAP berücksichtigt nämlich nicht den Gegendruck, der von einem Organ ausgeht.

Was heißt das im Speziellen? Man nehme einen Patienten mit schwerem SHT und erhöhtem ICP (hier). Man könnte nun argumentieren, dass der Patient bei einem MAP von 70 mmHg eine ausreichende Organperfusion genießt. Vergessen wird hier aber der Gegendruck des Organs von Interesse, in dem Fall das Gehirn. Hat der Patient nämlich einen ICP von 30 mmHg, so beträgt der effektive Organperfusionsdruck (Mean Perfusion Pressure ~ MPP) lediglich 40 mmHg. Es besteht somit eine Ischämie.

Nächstes Beispiel: der Patient mit der akuten Herzinsuffizienz (Link). Man nehmen an, der MAP beträgt 65 mmHg. Alles gut, oder? Aber wieso hat der Patient in der aBGA ein Lactat von 4 mmol/l? Hm, sicherlich flüssigkeitsbedürftig… Also ein weiterer Liter i.v. und Kontrolle des Lactats nach 2h. Komisch, es ist bei 4,2 mmol/l… Verdammt, was stimmt hier nicht? Auch hier ist die Lösung einfach. Eine ZVD-Messung zeigt einen Wert von 20 mmHg (das Herz ist insuffizient). Das ist der Gegendruck, der der Perfusion des Herzens und des restlichen Körpers entgegenspielt. Dies erklärt das Lactat. Denn der MPP beträgt hier ja nur 65-20 = 45 mmHg. Der Nierenschaden bahnt sich an! Die Lösung? Entweder den MAP erhöhen oder den ZVD senken (z.B. Furosemid, Glyceroltrinitrat). Ja, der Patient braucht nicht Flüssigkeit, sondern tatsächlich eine Diurese.

Beispiel 3. Ein Patient unterzieht sich einer Laparoskopie. Der MAP wird bei 65 mmHg gehalten, doch post-OP fällt ein akuter Nierenschaden auf. Hm, wie konnte das passieren? Auch hier ist die Antwort simpel. Bei der Laparoskopie wird der intraabdominelle Druck auf ca 14 mmHg erhöht. Das ist somit der Gegendruck, welcher die Perfusion von u.a. der Nieren beeinträchtigt. Bei einem MAP von 65 mmHg beträgt der MPP der Niere ledliglich 65-14 = 51 mmHg. Wen wundert da noch der akute Nierenschaden? Aus diesem Grunde führe ich Patienten während einer Laparoskopie mit einem MAP von mindestens 80 mmHg. Es ist nun mal wichtig, basale Physiologie zu verstehen. Ein zu niedriger MPP korreliert nämlich mit akuten Nierenschäden auf der ICU (Link) sowie mit der Mortalität (Link).

Was lernen wir also daraus? Nicht der MAP ist für die Organperfusion relevant, sondern die Formel MPP = MAP – Gegendruck (z.B. ICP, ZVD…). Selbst im Schock korreliert ein normaler MAP nicht mit einer suffizienten Organperfusion, da z.B. bei einer Cyanidvergiftung ein zytotoxisches Schockgeschehen besteht, das nicht von Vasopressoren oder Flüssigkeit profitiert, sondern von den Gegenmitteln wie Hydroxocobalamin.


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