Opticusschall

Eine akute Erhöhung des Hirndruckes (z.B. durch intracerebrale Blutung, Malignom) stellt einen akuten behandlungsbedürftigen Notfall dar. Wiewohl das Einlegen einer Sonde in einen der beiden Seitenventrikel eine übliche Methode zur (kontinuierlichen) Messung des Hirndruckes darstellt (Link), gibt es neben den typischen klinischen Zeichen (z.B. unilaterale Mydriasis, redAZ, Übelkeit, Neuroausfälle, Cushing-Reflex, Link) eine weitere sehr elegante Möglichkeit, einen erhöhten Hirndruck direkt am Patienten schmerzlos festzustellen. Dies ist auch präklinisch sinnvoll, siehe dazu folgenden Beitrag.

Die Rede ist von der ultraschallgestützten Ausmessung des Nervenscheidendurchmessers des N. Opticus (ONSD). Die Idee dahinter ist relativ simpel. Der ONSD reagiert in Echtzeit auf Veränderungen des ICP, d.h. bei Erhöhung kommt es reflektorisch zu einem Anschwellen des ONSD durch Liqourrückstau. Zwar kann aus der Zunahme des ONSD kaum auf die Höhe des ICP rückgeschlossen werden (wiewohl eine Berechnung laut der Formel möglich ist: ICP in mmHg = 5 x ONSD in mm – 14); Fakt ist aber, dass eine Zunahme des ONSD mit einem pathologischen ICP > 20 mmHg korreliert. Diese Verlässlichkeit konnte in mehreren Arbeiten bereits bestätigt werden (Link, Link, Link, Link, Link, Link, Link).

Wie führt man den Ultraschall am besten durch? Ich persönlich decke beide geschlossenen Augen mit einem durchsichtigen Pflaster vorsichtig ab und trage dann reichlich Ultraschallgel auf. Nach Aufsetzen des Linearschallkopfes in Sagittal- und Transversalebene erscheint der Bulbus als große runde echofreie Struktur. Dahinter lässt sich der N. opticus samt Nervenscheide darstellen. In einer Studie konnte festgestellt werden, dass die Messung des ONSD bestenfalls 3 mm hinter dem Bulbus erfolgt. Eine andere Studie wiederum empfiehlt die Messung 8-10 mm hinter dem Bulbus, da hier die Streuung der Normwerte niedriger ist. Der Cut-Off-Wert, ab dem mit einem pathologischen ICP zu rechnen ist, wird in dieser Arbeit mit 5,8 mm beziffert, während in einer anderen Arbeit bereits ab 5 mm mit einem erhöhten ICP zu rechnen ist. Somit kann festgehalten werden, dass ein ONSD bis 5 mm als normal gilt, 5-6 mm als auffällig und ab 6 mm definitiv als pathologisch. Ein entsprechendes Bild findet ihr hier.

Der ONSD misst 5,8 mm, was als grenzwertig zu interpretieren ist.
Der ONSD misst 6,5 mm, was als erhöht zu werten ist. Im cCT war ein diffuses Hirnödem evident.

Zusammenfassend soll und kann der ONSD-Ultraschall keinesfalls eine ICP-Sonde oder gar ein CT ersetzen. Er ist aber sicher eine interessante Option in Bereichen ohne (sofort) verfügbares CT (z.B. präklinisch) oder wenn ein Transport des Patienten zu einem CT gerade nicht durchführbar ist, um zügig eine rasche Diagnostik und Therapie des erhöhten Hirndrucks (in Zusammenschau mit Anamnese und klinischen Zeichen) durchzuführen. Ich persönlich habe schon Patienten mit klinischen Zeichen eines erhöhten Hirndrucks (z.B. unilaterale Mydriasis mit Cheyne-Stokes-Atmung) anhand des Ultraschallbefundes des ONSD mit einer Hirndrucktherapie behandelt, ohne dass ich zuvor ein CT abgewartet hätte. Time is brain, Freunde.


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