Perioperative Anaphylaxie

Häufig sind Patienten im perioperativen Setting das erste Mal mit verschiedensten Substanzen konfrontiert. Endsprechend groß ist das Potential für eine Anaphylaxie. Die Anaphylaxie als IgE-vermittelter Untertyp der allergischen Reaktion ist uns natürlich bekannt („Überreaktion des Immunsystems“ –> Freisetzung von Mediatoren wie Histamin oder Leukotrienen durch Mastzellen und Granulozyten –> Vasodilatation, Schock, Atemwegsschwellung, Lebensgefahr). Ein besonderes Problem stellt das Kounis-Syndrom dar.

Perioperativ ist die Anaphylaxie unter allen potentiell lebensbedrohlichen Komplikationen relativ häufig, publiziert ist eine Inzidenz von 1:10.000, die Morbidität ist allerdings relativ hoch, da Anaphylaxien für ca 6% aller direkt Anästhesie-bezogenen Todesfälle verantwortlich sind (Harper et al. Mertens et al.). Insgesamt ist das Auftreten natürlich selten und generell sind Narkose sehr sicher, aber wenn’s kommt, kommts dicke… Als Ursachen gelten v.a. Antibiotika und Muskelrelaxanzien, wobei zu berücksichtigen ist, dass > 90% der Patienten mit angegebener Penicillin-Allergie keine echte Allergie haben, sondern einfach nur NW erfahren haben (Link). Weiters verlieren > 80% Patienten mit echter Penicillin-Allergie diese Allergie nach Ablauf von 10 Jahren. Daher ist es wichtig, eine Penicillin-Allergie per Prick-Test (Hauttest) zu verifizieren, da Patienten mit falscher Penicillin-Allergie v.a. bei Sepsis ein schlechteres Outcome haben und sich öfters mit multiresistenten Keimen infizieren (Link).

Vom Resuscitation Council UK gibt es eine neue Empfehlung zum Umgang mit einer perioperativen Anaphylaxie. Das kurze und übersichtliche Dokument bekräftigt einmal mehr, was fleißige Leser unserer Seite sowieso schon wissen: Adrenalin, Adrenalin, Adrenalin!

Die Kernempfehlungen wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten:

  1. Bei unerwarteten signifikanten Kreislauf- oder Atemproblemen soll immer an eine Anaphylaxie gedacht werden
  2. First-Line Behandlung der perioperativen Anaphylaxie ist intravenöses Adrenalin in einer Dosis von 50 mcg. Für Kinder werden kleinere Dosen (10-50 mcg) titriert nach Effekt empfohlen. Anästhesisten sind im Umgang mit i.v. Catecholaminen geschult, in der Praxis ist die i.m. Gabe aber grundsätzlich deutlich sicherer.
  3. Zusätzlich sollen immer große Volumenboli verabreicht werden. Bei Erwachsen und Kindern ab 12 Jahren initial zumindest 500-1000ml, bei Kindern <12 Jahren 10-20ml/kg. Oft sind mehrere Volumenboli notwendig.
  4. Wenn sich die Symptomatik nach Adrenalin-Boli nicht bessert, sollte ein Adrenalin-Perfusor gestartet werden. Dies ist auch über periphere Zugänge möglich.
  5. Es sollte mit der Reanimation begonnen werden, wenn RRsys < 50 mmHg trotz Adrenalin und Flüssigkeit.
  6. Antihistaminika und Kortison sind in der Initialphase der Behandlung nicht effektiv. Man sollte die Gabe von Adrenalin und Flüssigkeit nicht verzögern um diese Substanzen vorher zu verabreichen. Siehe auch hier: Link, Link, Link, Link, Link).
  7. Als Add-On seien noch Noradrenalin, Vasopressin und Glucagon (bei Beta-Blocker) erwähnt.

Wie macht man das nun in der echten Welt? Am besten nach dem Haus-Standard. Wir haben aber einen Vorschlag für Euch, siehe auch hier:

  • Adrenalin-Boli – „Supra-Blitz“ –> 1 mg Adrenalin auf 100ml verdünnen –> 1 ml = 10mcg
    • Akut Boli ml-weise
  • Adrenalin Perfusor
    • „Für peripher„: 1 mg Adrenalin auf 50ml –> 1 ml = 20mcg
      • Laufrate initial 0,05mcg/kg/h = 50 kg 8ml/h – 70 kg 10ml/h – 90 kg 13ml/h
      • Das ist aber keine Dauerlösung, insbesondere nicht peripher.
    • „Für zentral„: 5 mg Adrenalin auf 50mg –> 1ml = 100mcg
      • Laufrate initial 0,05mcg/kg/h = 50 kg 1,5ml/h – 70 kg 2ml/h – 90 kg 2,5ml/h
      • Hier braucht es natürlich einen Perfusor, alternativ kann man (aber weniger optimal) eine Infusion als Treiber benutzen (dabei sollte man aber ein Rückschlag-Ventil einbauen, damit der Perfusor nur Richtung Patient pumpen kann).
      • Diese Zubereitung sollten wirklich nur in Ausnahmefällen peripher angehängt werden. Wenn kein ZVK vorhanden ist empfiehlt sich die periphere Zubereitung als Überbrückung.

Interessant: bei Anaphylaxie auf Rocuronium gibt es vereinzelt Fallberichte zur Gabe von Sugammadex zur Durchbrechung der Reaktion (z.B. hier). Die Maßnahme ist insgesamt aber als unklar zu bewerten.


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