Rocuronium ist DAS Muskelrelaxans in der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin. Als kompetitiver nicht-depolarisierender Antagonist an nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren (nAChR) wirkt es erschlaffend auf die Skelettmuskulatur. Die Folge ist eine Paralyse inkl. Atemstillstand. Es verbessert das Atemwegsmanagement (zB Beutel-Maskenbeatmung, Intubation), Beatmung und die Operationsbedingungen besonders im Bauch oder Thorax, da der Tonus der Muskulatur nachlässt. Als typische Einleitungsdosis empfehlen sich 0,6 mg/kg Idealgewicht i.v., die Anschlagszeit (Vorliegen einer 95%igen Muskelrelaxierung) und somit Möglichkeit der trachealen Intubation (Weitstellung der Stimmritze → Verletzungsgefahr ↓) besteht dann nach ~ 90-120 Sekunden. Die Wirkdauer wird mit ~ 40 Minuten angegeben. Die Repetitionsdosis beträgt 0,15 mg/kg. Es führt zu keiner Freisetzung von Histamin, hochdosiert ist eine Tachycardie durch Vagolyse möglich.
Die große Beliebtheit von Rocuronium beruht vor allem auf zwei Faktoren:
- nicht-depolarisierende Alternative zu Succinylcholin bei der Notfallnarkose (1,2 mg/kg i.v. → Anschlagszeit ~ 45-60 Sekunden) → Rapid Onset Curonium
- sofortige Reversierung mittels Sugammadex
Die Wirkdauer von Rocuronium ist grundsätzlich unvorhersagbar, da große Interindividualität besteht. Ferner kann die Wirkung durch intraoperative Faktoren verlängert oder verstärkt werden, zB Hypothermie (Metabolisierung ↓), Sevofluran (Supprimierung von Motoneuronen), Antibiotika wie Clindamycin (Hemmung präsynaptischer Calcium-Kanäle mit reduzierter Acetylcholinfreisetzung) oder Elektrolytstörungen (HyperMg). Deshalb muss die Wirkstärke mittels Relaxometrie überwacht werden, zB Train Of Four (TOF). Die klinischen Zeichen einer angeblich ausreichenden Muskelkraft im Rahmen der Extubation (zB suffiziente Atmung, Kopf 5 Sekunden heben, Zunge zeigen) sind unzuverlässig!
Wie oben bereits erwähnt ist eine Reversierung mittels Sugammadex (SGX, 2-4 mg/kg bzw tiefste Blockaden mit bis zu 16 mg/kg) möglich, unabhängig davon wie tief der Relaxierungsgrad ist. Es wirkt auch bei Vecuronium und Pancuronium. Alle drei Muskelrelaxanzien werden eingefangen und die Komplexe renal ausgeschieden Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch mit hormonell wirkenden Kontrazeptiva (zB Pille) interagiert, wodurch es deren Wirkung abschwächen kann. Gebärfähige Damen sind darüber aufzuklären und sollen der Fachinformation der jeweiligen Verhütungsmethode folgen, wenn sie SGX erhalten haben.
Sind im Rahmen der TOF-Stimulation mindestens 1-2 Reaktionen des Muskels erfassbar, so kann die Wirkung von Rocuronium auch mit dem Cholinesterasehemmers Neostigmin aufgehoben werden. Die Hemmung des Abbaus von Acetylcholin ermöglicht ein Überangebot, wodurch das Muskelrelaxans kompetitiv verdrängt und vom Körper eliminiert wird. Empfohlen haben sich ca 0,025-0,05 mg/kg i.v., wobei mit Nachdosierungen zumindest 15 Minuten zugewartet werden soll, um Neostigmin Zeit zum Wirken zu geben. Zwei Eigenschaften sind bei Neostigmin zu erwähnen:
- es ist nicht ZNS-gängig (wünschenswert)
- es wirkt auch an muscarinergen ACh-Rezeptoren (nicht wünschenswert) → Bronchospasmus, Bradycardie, abdominelle Krämpfe
Daher erfolgt die Kombination mit dem ebenfalls nicht zentral gängigen Anticholinergikum Glycopyrrolat (Antagonist an mAChR), um die Wirkung von Neostigmin auf die Skelettmuskulatur zu beschränken. Als Dosis empfehlen sich 0,005-0,01 mg/kg i.v.
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