Heute behandeln wir mit dem Säure-Basen-Haushalt ein Thema, das sich sehr viele von euch gewünscht haben. Wie immer werden wir uns kurz und knackig halten und auf die wichtigsten Komponenten fokussieren. Die Hauptquellen sind hier, hier und hier.
Beim Säure-Basen-Haushalt (SBH) handelt es sich zum ein Zusammenspiel zwischen Säuren (Protonendonator) und Basen (Protonenakzeptor) im menschlichen Körper. Der pH-Wert (~ Potential des Wasserstoffs) einer Lösung (chemisch bezieht man sich auf Wasser) ist von der Menge der Wasserstoffionen (Protonen ~ H+) abhängig, d.h. mit steigender Protonenmenge sinkt der pH-Wert der wässrigen Lösung. Die Bandbreite des pH-Wertes liegt zwischen 0-14, d.h. ein pH-Wert von 7 ist als neutral zu bewerten und entspricht dem pH-Wert von Wasser.
Der pH-Wert des menschlichen Körpers wird im allgemeinen zwischen 7,35-7,45 gehalten und ist somit leicht basisch. Eine Ansammlung von Protonen bzw. ein Mangel an Basen führt zu einer Acidose (pH < 7,35), eine Ansammlung von Basen bzw. ein Mangel an Protonen zu einer Alkalose (pH > 7,45). Der Körper selbst hält den pH-Wert penibel in diesem Gleichgewicht, da Alterationen schwere Konsequenzen (z.B. Denaturierung von Proteinen, gestörter Ablauf von Enzymen) bis hin zum Tod haben können. Bei einer Acidose kommt es z.B. zu einem verminderten Ansprechen auf Catecholamine wie Noradrenalin, Cardiodepression und Hyperkaliämie, bei einer Alkalose drohen z.B. Tetanie, Hypokaliämie oder Neuroexzitation.
Wie hält der Körper den pH-Wert im Normbereich?
Die Grundlage der Homöostase bildet folgende Gleichung: CO2 + H2O ⇔ HCO3 ⇔ HCO3- + H+. Auf Deutsch: Kohlendioxid reagiert mit Wasser zur Kohlensäure, welche dann in Bicarbonat und Proton zerfällt. Diese Reaktion ist in beide Richtungen möglich und wird durch das Enzym Carboanhydrase katalysiert (~ verschnellert). Wir kommen später in zwei Beispielen darauf zu sprechen.
Durch das Akzeptieren von Protonen fungieren Basen als Puffer, um ein Entgleisen in die Acidose zu verhindern. Die wichtigsten extrazellulären Puffer sind Bicarbonat (HCO3-) und Albumin, die wichtigsten intrazellulären Puffer sind Hämoglobin (Hb) und Phosphat (PO4[3-]). Der Base Excess (~ BE, Basenabweichung) entspricht einfach gesagt jener Menge an Base (oder Säure), die einer Blutprobe zugefügt werden muss, um einen gewünschten pH-Wert zu erreichen. Der Normwert beträgt 0 ± 2 mmol/l. Ist der BE negativ (z.B. -8 mmol/l), so bedeutet dies, dass wir einen Mangel an Basen haben. Ist der BE negativ (z.B. + 10 mmol/l), so bedeutet dies, dass wir einen Basenüberschuss haben.
Ursachen einer Acidose bzw. Alkalose
Ganz allgemein unterscheidet man zwei Formen der pH-Wertabweichung – metabolisch oder respiratorisch. Bei einer metabolischen Acidose bzw. Alkalose liegt der menschliche Stoffwechsel bzw. eine äußerliche Zufuhr von Säuren (z.B. Intoxikation mit Ethylenglycol) oder Basen (z.B. exzessive Natriumbicarbonatzufuhr ~ NaBic) im Zentrum, während sich bei einer respiratorischen Acidose bzw. Alkalose alles um die Lunge (respektive CO2) dreht. Die Kompensation kann entweder unvollständig (pH-Wert nicht im Normbereich) oder vollständig sein (pH-Wert wieder im Normbereich), wobei eine metabolische Problematik respiratorisch und umgekehrt kompensiert wird.
Am besten erläutere ich das anhand von zwei Beispielen:
- Beispiel 1: ein Patient erhält zur Analgesie das Opioid Fentanyl und entwickelt daraufhin eine zentral bedingte Atemdepression. Durch das reduzierte Minutenvolumen kommt es zum Anstieg von arteriellen CO2 (PaCO2, Normwert: 35-45 mmHg). Erinnert euch an obige Gleichung: CO2 + H2O ⇔ HCO3 ⇔ HCO3- + H+. Die Ansammlung von CO2 stört das Gleichgewicht, wodurch es zur reflexartigen Reaktion von CO2 mit Wasser zur Kohlensäure mit folgender Freisetzung von Protonen kommt. Die Folge ist eine (respiratorische) Acidose. Der Kompensationsmechanismus der Niere wäre eine erhöhte Bicarbonatresorption, dies ist aber nach frühestens 24h evident. Patienten mit chronischer Hyperkapnie (siehe AECOPD) sind somit oft mild acidotisch und weisen erhöhte Bicarbonatwerte auf (positiver BE!), um den Überschuss von CO2 auf der Gegenseite zu „kompensieren“ und ein weiteres Reagieren von CO2 und H2O zu unterbinden. Die Therapie unseres Beispielpatienten besteht in der assistierten Maskenbeatmung und Gabe von Naloxon, um 1) das überschüssige CO2 abzuatmen und 2) die Wirkung von Fentanyl an den Opioidrezeptoren zu unterbinden.
- Beispiel 2: ein Patient im Schock entwickelt klassischerweise eine zelluläre Unterversorgung mit O2. Der Wechsel in die anaerobe Glycolyse bedingt die Ansammlung von Protonen und Lactat (mehr dazu im Post über Lactat, welches KEINE Säure ist und auch KEINE Acidose verursachen kann) mit konsekutiver metabolischer Acidose. Erinnert euch an obige Gleichung: CO2 + H2O ⇔ HCO3 ⇔ HCO3- + H+. Die Ansammlung der Protonen stört das Gleichgewicht, weshalb eine reflexartige Reaktion von Protonen mit Bicarbonat zu Kohlensäure mit Zerfall in CO2 erfolgt – die Kompensation der Acidose erfolgt somit respiratorisch durch Hyperventilation, da 1) das angesammelte CO2 eliminiert wird und 2) durch zusätzliches Abatmen von CO2 die Gegenseite bestehend aus HCO3- und H+ zur weiteren Reaktion gezwungen wird, um die Protonenlast zu reduzieren und somit den Körper in Richtung normale pH-Werte zu lotsen. Bei einer metabolischen Acidose findet man somit klassischerweise ein erniedrigtes Bicarbonat (BE negativ!) und eine Hypokapnie (PaCO2 < 35 mmHg). Beachte aber, dass wir nur eine begrenzte Reserve an Bicarbonat haben und eine langanhaltende Hyperventilation eine erhebliche Belastung für den Körper darstellt.
Zusammenfassend dreht sich im SBH alles um die Gleichung CO2 + H2O ⇔ HCO3 ⇔ HCO3- + H+. Steigt oder sinkt etwas auf der Gegenseite, so kommt es prompt zur Gegenreaktion auf der Gegenseite um beide Seiten im Gleichgewicht und somit den pH normal zu halten. Das Ganze ist jedoch nur die halbe Wahrheit, weil es mit dem Stewart-Approach (Strong Ion Difference) eine Kehrseite der Medaille gibt. Darauf werde ich in Zukunft eingehen.
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