Sepsis

Jetzt wird’s knackig. Ein Beitrag über Sepsis – wie soll man die Hülle und Fülle an Informationen bloß zusammenfassen? Das Ziel unseres Blogs ist ja, die wichtigsten Aspekte von Krankheitsbildern zu beleuchten, ohne unsere LeserInnen zu überfordern. Schließlich durchforsten Menschen mit unterschiedlichem Wissensstand (Medizinstudenten, Rettungs-/Notfallsanitäter, Pflege, Ärzte, interessierte Laien) unsere Beiträge. Nun denn – starten wir los.

Laut der Leitlinie der Surviving Sepsis Campaign (SSC) 2021, die im Übrigen logischerweise die Hauptquelle dieses Artikels ist, ist Sepsis definiert als lebensbedrohliche Organdysfunktion durch eine dysregulierte Immunantwort auf eine Infektion mit einem Erreger. Das ist interessant, denn das Wort „lebensbedrohlich“ impliziert, dass es keine „ungefährliche“ Sepsis gibt. Es braucht umgehend Diagnose und Therapie. Die Mortalität beträgt über 20%.

Pathophysiologie

Am häufigsten geht Sepsis von einer Pneumonie aus, weitere Herde sind ua das Abdomen, der Urogenitaltrakt oder Zugänge. Mikrobiologisch dominieren grampositive Bakterien gefolgt von gramnegativen Bakterien und Pilzen. Pathophysiologisch kommt es zu einer systemischen Distribution mit generalisierter Immunantwort. Simplifiziert werden das Immun-, Endokrin- und Nervensystem durch körpereigene Mediatoren, die Erreger sowie deren Toxine massiv kompromittiert. Verkompliziert wird das durch eine generalisierte Mitochondriendysfunktion, wodurch die aerobe Energiegewinnung blockiert wird – die Folge ist eine metabolische Acidose mit Typ A Hyperlactatämie. Im Überlebenskampf kommt es zu Apoptose von Zellen. Die generalisierte Entzündungsreaktion bedingt eine Vasodilatation mit Organhypoperfusion, letztlich Schock und dann Tod. Näheres könnt ihr hier lesen.

Diagnostik

Hier wird es kompliziert. Sepsis erkennen ist unfassbar schwer. Der quick SOFA (sequential organ failure assessment) Score (qSOFA) aus dem Jahr 2016 hatte ursprünglich zum Ziel, die Mortalität bei Verdacht auf Infektion (bzw Sepsis) in Umgebungen mit eingeschränkten Diagnosemöglichkeiten vorherzusagen (und welche Patienten dann frühzeitig eine aggressive Behandlung benötigen würden). Der SOFA-Score dient der Vorhersage der Mortalität von Patienten mit Sepsis auf der Intensivstation und sollte täglich berechnet werden. Es gilt jedoch zu bedenken, dass er Parameter beinhält, die verzögert anschlagen (zB Creatinin) und dadurch eine frühe Organdysfunktion im Rahmen einer Infektion eventuell übersehen wird. qSOFA erkennt zwar tatsächlich Sepsis, aber eben nur die schwerst kranken Septiker. Für diese Patienten brauche ich aber kein Screening-Tool, da sie beim ersten „Quick Look“ schon als schwer krank erkennbar sind. Interessieren würde uns ja eigentlich der Patient mit Infektion, der kurz vor der Sepsis steht. Somit ist qSOFA als einziges Screening-Tool für beginnende Sepsis oder septischen Schock ungeeignet und dies wird von der SSC 2021 auch so klargestellt.

Ebenso problematisch ist das SIRS-Konzept (Systemic Inflammatory Response Syndrome), welches auch unter Beschuss geraten ist, da bis zu 50% der Patienten im Spital SIRS-Kriterien erfüllen, ohne infektiös oder septisch zu sein. Interessant ist auch, dass manche Patienten im septischen Schock weniger als 2 SIRS-Kriterien erfüllen.

Wie ihr sehen könnt stehen wir vor einigen Fragezeichen. Die Diagnose einer Sepsis ist extrem schwierig und bleibt subjektiv. Bis zu 20-30% der Patienten, die mit Sepsis diagnostiziert werden, haben gar keine Sepsis – es gibt im Symptomkomplex also reichlich Überschneidungen mit anderen schwerwiegenden Krankheitsbildern wie Polytrauma oder großen Operationen. Ultimativ braucht es ein Zusammenspiel aus Klinik (zB pneumonieverdächtiger Auskultationsbefund, Fieber), Anamnese (zB liegender Harnkatheter, Darmperforation), Untersuchung (zB CT, Sonographie, Labor) und persönlicher Erfahrung. Es ist zu berücksichtigen, dass bis zu 50% der positiven Blutkulturen falsch positiv aufgrund Kontamination sind.

Therapie

Die Therapie der Sepsis richtet sich gegen Ursachen (zB empirische Breitbandantibiose, Entfernung des infizierten Zugangs, chirurgische Sanierung) und ist ansonsten supportiv. Durch frühe empirische Antibiose kommt es zu drastischer Mortalitätssenkung. Zwar empfehlen die Leitlinien zügig < 1h, dies wird durch eine Arbeit aber in Frage gestellt und auch die US-Gesellschaft für Infektionskrankheiten empfiehlt die Gabe von Antibiotika erst bei gesicherter Diagnose. Des Weiteren wird die initiale Gabe von 30 ml/kg Kristalloid i.v. propagiert, wiewohl bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz bzw. Lungenödem Vorsicht gewaltet werden muss. Erwähnenswert sind hier neue Arbeiten, die sich für eine restriktivere Flüssigkeits- und frühe Vasopressorgabe aussprechen (Link, Link). Der Bedarf an Flüssigkeit wird am besten mittels dynamischen Parametern beurteilt (zB Pulse Pressure Variation PPV, PICCO, Velocity Time Integral VTI Messung). Der Ultraschall der Vena Cava Inferior zur Beurteilung des Flüssigkeitshaushalts ist obsolet.

Sollte sich der Patient trotz der initialen Flüssigkeit hämodynamisch nicht gebessert haben (MAD < 65 mmHg), so ist die Diagnose des septischen Schocks zu stellen (auch erkennbar an Hyperlactatämie > 2 mmol/l). Die Gabe von Noradrenalin (1. Wahl) hat zügig zu erfolgen, da eine Verzögerung die Mortalität erhöht. Ab einer Dosis von 0,25 mcg/kg/min empfehlen die Leitlinien, Vasopressin (0,01-0,03 IE/min) sowie Hydrocortison 200 mg/d (aufgrund relativer Nebennierenrindeninsuffizienz) hinzuzufügen. Bei septischer Cardiomyopathie wird Dobutamin (bis 20 mcg/kg/min) als Inotropikum empfohlen. Nach Ermessen der behandelnden Ärzte kann Adrenalin als Backup-Option eingesetzt werden.

Zusammenfassung

Sepsis ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, welches eine zügige Evaluierung, Diagnose und Therapie erfordert. Das Erkennen ist schwierig und subjektiv, wiewohl mittlerweile auch computerbasierte Modelle untersucht werden. Eine antibiotische Therapie und die aggressive Behandlung des septischen Schocks mittels Vasopressoren senken die Mortalität.


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